Der größte Briefkasten der Welt

Auf der EXPO 2000 realisiert die Deutsche Post den größten Briefkasten der Welt, weil sie ihre Rolle in der modernen Gesellschaft unterstreichen will.

Der Transport ist das Blut der Wirtschaft, sagen die Chinesen. Im Alltag geht die Aufmerksamkeit für die Leistung, die sich hinter diesem Transport verbirgt, jedoch verloren. Das will die Deutsche Post ändern und entschließt sich, auf der Weltausstellung in Hannover ihre Rolle für das tägliche Leben deutlich zu machen. Ein paar Plakate reichen da nicht aus, ein komplettes Hochhaus soll es sein.
Die Deutsche Post will ein Signal setzen, das sogar in der Nacht weithin sichtbar ist: Den größten Briefkasten der Welt. Der gesamte neunstöckige Werbeturm besteht aus einer verschraubten Stahlkonstruktion. Die Fassade der obersten vier Stockwerke bildet einen Briefkasten nach. Auf der Innenseite befinden sich die Aussichtsplattformen.

Aus welchem Material sind die Briefkästen?
Das viergeschossige Top des größten Briefkastens der Welt besteht aus insgesamt 1587 originalgroßen Briefkastennachbildungen. Ursprünglich wollen die beiden Architekten Siegfried und Harry Tchorz als Köln echte Briefkästen nehmen und sie als Fassade nutzen. Allerdings müssen die beiden lernen, dass diese heutzutage nicht mehr aus Metall hergestellt werden, sondern aus Kunststoff. Deshalb können sie aus Brandschutzgründen keine Originale einsetzen. Damit fällt auch die Idee ins Wasser, die für die Postbox genutzten Briefkästen nach der EXPO 2000 mit einem Aufkleber “ich war dabei” zu versehen und sie als normale Briefkästen zu nutzen.

Der Briefkasten beginnt in 24 Metern Höhe und ist selbst 22 Meter hoch. Für dessen Ausführungsplanung und Montage bekommt die Firma Maurus Blechverarbeitung aus Lüchow den Auftrag. Die Realisierung der gesamten Konstruktion ist zeitlich sehr eng, insgesamt hat Maurus nur 14 Wochen Zeit. Davon nimmt allein die Montage sieben Wochen in Anspruch.
Die Briefkästen sollen dreidimensional sein. Maurus stellt die Briefkästen aus Aluminium im Tiefziehverfahren her. Die Vorderfront hat die identische Form und Größe des Originals. Damit sie auch dessen Farbe bekommen, wird das Leichtmetall in der Postfarbe pulverbeschichtet. Damit das gesamte Gebäude leichter und unempfindlicher gegen Wind wird, stanzt der Hersteller Löcher in die Bleche.

Sechs Mitarbeiter der Firma arbeiten bis spät abends auf der Baustelle. Sie befestigen zunächst die Unterkonstruktionsschienen auf das vorhandene Stahlgerüst. Dann hängen sie die Platten über Bolzen in das Stangengerüst ein. Während sie in den unteren Bereichen schon die Platten befestigen, verschrauben einige Meter weiter oben die Stahlbauer noch das stählerne Grundgerüst.
Als sie mit dem Briefkaste fertig sind, befestigen sie die beiden schwarzen Posthörner an den Querseiten der Postbox. Diese sind aus acht Millimeter starkem Aluminiumblech gefertigt. Damit sie leichter transportiert und befestigt werden können, teilt Maurus die Hörner in drei Teile auf. Sie werden an einem Tag wie die gelben Briefkästen in eine Schienenkonstruktion eingehängt und gegen Herausfallen abgesichert. Die Beleuchtung wird von der Firma Weber & Partner aus Köln geplant und von Schuppe und Siska aus Magdeburg montiert.
Die gelbe Fassade der Postbox wird in der Nacht von 28 Quecksilberdampfstrahlern mit jeweils 400 Watt beleuchtet. Der untere Teil des Gebäudes bleibt weitgehend unbeleuchtet, damit der Briefkasten in der Dunkelheit über dem Land schwebt.

Planung leicht, Aufbau schwierig
Die erste Konzeptstudie stellen die Architekten im Dezember 1998 der Deutschen Post vor, Ende Januar wird der Bauantrag formuliert. Beim Aufbau des Gebäudes gibt es jedoch einige Schwierigkeiten, die sie in der Planung nicht berücksichtigen konnten: Das Bauwerk ist hoch und schwer, für das Fundament bleibt jedoch nicht viel Platz. Unterhalb des Sockelgeschosses muss die zentrale Trafostation des Messegeländes mit allen Kabelwegen gebaut werden. Hinzu kommen die Druckwasserleitungen für das Areal. Als all das eingeplant und neu berechnet ist, stoßen die Bauarbeiter in acht Metern Tiefe auf einen Findling mit drei Metern Durchmesser. Die Pläne werden noch einmal geändert, um diesem Hindernis auszuweichen. Am Ende ruht der Gesamtkomplex auf 36 Bohrpfählen mit einer Länge von jeweils 12 Metern.
Diese Pfahlgründungen werden zusammen mit Bodenverdichtungsmaßnahmen ausgeführt. Die Stahlkonstruktion des 46 Meter hohen Gebäudes wird als Fachwerkssystem aus handelsüblichen Walzprofilen und Rundstahl ausgeführt. Die Decken bestehen aus Betonfertigteilen. Das gesamte Gebäude wird aus 2400 Einzelstäben zusammengeschraubt. Damit die Brandschutzrichtlinien Gewährleistet sind, werden Träger und Stützen des Sockelgeschosses als Stahlverbundteile ausgeführt. In den oberen Stockwerken tragen dämmschichtbildende Anstriche zur Brandsicherheit bei.

Bei Nacht bietet das Gebäude eine schöne Ansicht, bei Tag eine schöne Aussicht: Wer die Plattform ersteigt, bekommt einen guten Überblick über die Weltausstellung und über die Landschaft. Innerhalb des Gebäudes stellt die Post ihre Welt dar: Eine Sammlung von Briefkästen aus vielen Ländern wird gezeigt, der Weltpostverein wird vorgestellt und die Angebote und Leistungen der Deutschen Post werden erläutert.
Die Postbox wird während der EXPO 2000 die Rolle des Transportes in der Welt unterstreichen und ein Forum bieten, in dem sich die Welt trifft. Danach wird der große Briefkasten seine Klappe schließen und das gesamte Gebäude wird demontiert. Der Post ist schon zu Beginn wichtig, dass der Bau am Ende der Expo 2000 zerstörungsfrei demontiert werden kann. Was dann aus ihm wird, ist noch nicht entschieden. Allerdings gibt es Gespräche, dieses neue Wahrzeichen Hannovers stehen zu lassen.

Veröffentlicht Fachmagazin WERBETECHNIK 6/2000

Copyright: Volker Kienast

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