Thailand – Alltag im Paradies

Als Fußgänger Auge in Auge mit der Lok auf einer Eisenbahnbrücke, mit Thailändern in einem schwimmenden Restaurant oder in einer Schutzhütte vor dem tropischen Regen thailändisch üben und englisch lehren: Der thailändische Alltag ist wesentlich spannender als jeder sonnengebräunte Strandtag. Dieses hier ist keine Geschichte über Geheimtipps, sondern darüber, auch einmal rechts und links des Weges zu schauen.

Wer sich für Thailand interessiert, denkt dabei hoffentlich nicht nur an die Strände, Pattaya und an Bangkok. Gerade im Binnenland erschließt sich ein unspektakuläres Thailand, das gerade deshalb so angenehm und interessant ist, weil die Menschen dort eben nicht alles darauf anlegen, um den Touristen zu gefallen und sich damit selbst verkaufen. Dieser Satz ist mit aller Vorsicht geschrieben, denn natürlich gibt es auch auf dem Land eine gute touristische Infrastruktur und die Thailänder möchten an den Besuchern Geld verdienen, doch alles läuft ein bis zwei Gänge heruntergeschaltet ab, und das tut beiden Seiten gut. Dazu drei Beispiele von vielen Möglichen.

Die Stadt Kanchanaburi liegt etwa einhundert Bahnkilometer westlich der Hauptstadt Bangkok und ist berühmt für eine Brücke, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Das Original über den Kwai-Fluss ist im zweiten Weltkrieg von den Japanern unter viel Blutzoll an thailändischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen in Rekordzeit errichtet worden, um den Nachschub für die japanische Armee via Burma zu sichern. Nur zwei Jahre später zerstörten amerikanische Bomber die Brücke. Die Japaner haben sie wenige Jahre später als Reparationsleistung komplett wieder aufgebaut. Die Geschichte um diese Brücke war Grundlage zu einem Roman von Pierre Boulle und einen gleichnamigen Film.
Wir kommen als Reisende mit dem Rucksack am Bahnhof von Kanchanaburi an und benötigen zunächst einmal eine Übernachtungsmöglichkeit. Das ist nirgendwo ein Problem, denn an jedem Bahnhof gibt es nette Rickschah- oder Motorradfahrer (wenn man eine knatternde 90 Kubikzentimeter-Maschine als Motorrad bezeichnen darf), die jeden für ein paar Bath zu den „besten Tipps“ des Ortes fahren (und für diesen Service dort noch einmal ein paar Bath bekommen). Wir haben einige Tage zuvor von einer kleinen und sehr angenehmen Hotelanlage auf einer Flussinsel gehört, die etwas außerhalb südlich des Ortes liegen soll.

Kein Problem, lächelt unser Chauffeur und tuckert uns in der feuchtwarmen Dämmerung durch den Ort. Die Hotelanlage ist ausschließlich mit dem Schiff zu erreichen. Direkt an dessen Anleger fällt uns ein schwimmendes Restaurant auf und wir beschließen, nach dem Einchecken und Duschen wieder hierher zu kommen und zu Abend zu essen. Dann ist das Wassertaxi da und wir lassen uns übersetzen. Die Hotelinsel ist etwa zweihundert Meter lang und fünfzig Meter breit. Darauf befindet sich eine kleine, nach allen Seiten offene Empfangshalle aus Bambus und etwa zwanzig komfortable Gästebungalows direkt am Wasser, der Rest der Insel ist ein dichter tropischer Garten mit geschwungenen Wegen und einem Swimmingpool. Als wir wieder an Land wollen, wird der Kapitän des Wassertaxis gerufen, der uns innerhalb weniger Minuten ans andere Ufer dieselt.

Das schwimmende Restaurant ist mittlerweile gut gefüllt – mit Thailändern; auf uns Touristen ist hier niemand vorbereitet, englischsprachige Speisekarten gibt es nicht, dafür aber jede Menge Hilfsbereitschaft, uns ein gutes Abendessen zu servieren. Das ist dann wohl auch gekommen, doch leider nehmen wir den ersten Happen vom Rindfleisch-Curry, dessen Schärfe unsere Geschmacksnerven sofort überlastet. Prustend und nach Luft hechelnd essen wir weiter. Die thailändischen Gäste freuen sich, dass uns alles so gut schmeckt und prosten uns mit ihrem Bier zu. Irgendwann kommen auch die Geschmacksempfindungen wieder und wir können gemeinsam mit den Thailändern die tropische Nacht genießen. Etwa anderthalb Stunden später und zurück in unserem Bungalow bemerken wir einen weiteren Vorteil der Anlage: Der Lärm der dröhnenden Discoboote, die etwa einen Kilometer entfernt am Ufer in der Stadtmitte vertäut sind, ist hier draußen schon wieder erträglich.

Am nächsten Tag mieten wir uns ein kleines Motorräder und fahren zu der berühmten Brücke. Diese Maschinen sollten übrigens nur motorradsichere Personen nutzen; wer sich die Fahrt darauf nicht zutraut, kann sich auf das gut ausgebaute Überlandbussystem verlassen. Die Brücke ist die einzige auf einer großen Flußlänge, und so ist sie nicht nur für Eisenbahnen zuständig, sondern auch für Menschen und Tiere. Dafür ist sie jedoch nicht ausgelegt, so dass alle Passagiere zwei- und vierbeinig auf den Eisenbahnschwellen und Metallplatten über den Kwai balancieren. So auch wir. Dann kommt der Zug; sehr langsam fährt er heran, die Scheinwerfer eingeschaltet. Menschen und Rinder, die dieselbe Richtung wie er haben, gehen einfach weiter, da sie auf ihren Beinen schneller sind. Menschen und Rinder, die dem Zug entgegengehen, weichen auf einen schmalen Metallsteg aus. Gemächlich geht alles seinen Gang, gemächlich fließt der Kwai etwa fünfzehn Meter tiefer, so kommt keine Angst auf, hinunter zu stürzen.

Als wir wieder an Land sind, setzen wir uns auf unser Gefährt und fahren etwa sieben Kilometer zum Tempel Wat Tham Kao Pun. Der Besuch dieser friedlichen Anlage lohnt sich sicherlich, doch wir genießen eher die Fahrt durch die schwülwarme Luft als die kulturellen Schätze des Tempels. Auf dem Weg zurück bricht endlich der tropische Regen los, der sich schon den ganzen Tag mit kleineren Regenfällen angekündigt hatte. Innerhalb von Sekunden sind T-Shirt, kurze Hose und Schuhe durchweicht. Zum Schutz finden wir eine überdachte Bushaltestelle aus Bambus. Dort haben sich bereits zwei motorradfahrende, thailändische Pärchen eingefunden, die ihre Zweiräder gleich mit ins Trockene genommen haben. Als wir unser Motorrad abgestellt – und uns trockengeschüttelt haben, entspannt sich eine freundliche, wenn auch gebrochene Plauderei über das Wetter und das Leben in Thailand und in Deutschland. Dabei lernen wir einige Thailändische Worte und lehren ein wenig Englisch. Nach einer halben Stunde verabschieden wir uns fröhlich winkend in den abgeklungenen Regen.

Insgesamt waren wir vier Wochen in Thailand mit Zügen, Überlandbussen, Schiffen und Motorrädern unterwegs und haben die Königspaläste in Bangkok und Ayutthaya genauso bestaunt wie die buddhistischen Tempel und Klöster, die Strände und die tropische Nationalparks. Dennoch sind eher Alltagssituationen im Gedächtnis geblieben. Nichts daran war spektakulär, doch genau das empfanden wir als angenehm im Vergleich zu den flirrenden Touristenzentren. Zum Nachmachen empfohlen.

Copyright: Volker Kienast

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