Lass uns miteinander reden!

Am Samstag Abend bin ich nach Xintiandi rüber gefahren, um es mir zum Abendessen gemütlich zu machen. Xintiandi ist ein ehemals altes Viertel in Shanghai. Ehemals deshalb, weil die Häuser mal alt waren, vor rund zehn Jahren aber völlig modernisiert wurden und jetzt jede Menge Restaurants, Kneipen und Geschäfte der teureren Art beherbergen. Ich wollte es mir mal ansehen. Es ist ein Treffpunkt hauptsächlich für Touristen und ausländische Geschäftsleute, die für ein Bier auch mal umgerechnet neun Euro zahlen wollen.

Und wohlhabende Chinesen kommen natürlich auch. Am Tisch neben mir sitzt ein chinesisches Pärchen um die 50 Jahre. Er im Stil ich-bin-so-reich-ich-kann-mir-das-leisten mit T-Shirt und dicker Armbanduhr. Sie im Stil ich-muss-hübsch-für-ihn-sein mit modernem chinesischen Kleid, sehr chic und bestimmt nicht billig. Neben ihm liegt der Autoschlüssel einer sehr gehobenen Marke, wobei ich hoffe, dass sein Chauffeur einen Zweitschlüssel hat. Ich habe bislang pro Person vier große Gläser Rotwein gezählt, und die beiden waren bereits da, als ich kam.
Immer wenn die beiden miteinander reden, lacht sie viel über seine Konversation. Aber das passiert nicht allzu oft, denn meistens spricht er am Handy mit irgend jemandem. Ich habe nicht mitgezählt, aber ich schätze rund ein Dutzend solcher Telefonate. Während dessen sieht sie in einen der vielen Spiegel an den Wänden, zupft an ihren Haaren, schaut sich von der Seite an, ordnet etwas an ihrem Kleid und versucht, nicht allzu gelangweilt auszusehen.

Irgendwann nimmt auch sie ihr Handy aus der Tasche und tippt darauf herum. Wahrscheinlich versucht sie, ihn anzurufen. Ist aber besetzt.
Merke: Handys erhöhen die Kommunikation unter den Menschen ungeheuer, nur nicht zwischen denen, die sich gemeinsam in einem Raum aufhalten.

Veröffentlicht im Buch: Volker Kienast Shanghai subjektiv!

Copyright: Volker Kienast